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Zum Teil alt, zum Teil nach alten
Vorlagen neu genäht sind die Trachten hier im Bild, die früher typisch
für unsere Gegend waren. Von links: Dr. Angelika König, Gertraud Bauer, Bianca Bauer, Betty Lindlein, Gudrun Lindlein |
Säuglinge wurden bis um 1960 fest in ein Tuch eingewickelt, „damit die Beine schön gerade werden“. Aus heutiger Sicht eine Quälerei, die aber in der damaligen Zeit selbstverständlich war.
Bis zum ersten Lebensjahr durften den Kindern weder die Nägel noch die Haare geschnitten werden, das würde Unglück bringen.
Aus dem gleichen Grund durften Mutter und Kind das Haus bis zur Taufe nicht verlassen, auch deshalb wurde die Taufe meist schon wenige Tage oder Wochen nach der Geburt abgehalten.
Kinder durften nicht durchs offene Fenster gelangt werden usw. Diese Liste könnte man fast beliebig verlängern.
Früher wurde der Täufling vom Paten von Ramsenthal, Heinersgrund oder Hauenreuth aus nach Bindlach zur Kirche getragen. Erst später wurde mit der Kutsche gefahren. Bei der anschließenden Feier zu Hause gab es u. a. „Gredsaweggla“, ein leichtes Hefegebäck.
Fast immer bekam das Kind den Namen des Paten oder der Patin, was auch erklärt, dass die Auswahl an Namen sehr eingeschränkt war. Später wählte man den ersten Vornamen nach eigenem Geschmack und setzte als zweiten Vornamen den Namen des Paten ein.
Die Paten steckten in den „Patenbeutel“ meist drei neugeprägte Geldstücke oder auch einen „Patenbrief“ mit Geld.
Nach der Taufe wartete vor der Kirche – ebenso wie bei einer Hochzeit – die Dorfjugend auf das „Ausschmeißen“ einer Hand voll Münzen, die eifrig aufgelesen wurden. Dabei empfahl es sich, einige Münzen zurückzubehalten, die man denen geben konnte, die nichts erwischt hatten, um zu vermeiden, dass Tränen flossen.
Die Kinderspiele der damaligen Zeit mit den ganz Kleinen waren „Hutzaboggl“ (Köpfe vorsichtig zusammenstoßen), „Hoppa Reiter“, „Hamperla Neegl eischlong“ (auf die Fußsohle klopfen) und „widda rauszieng“ (an der Fußsohle kitzeln), „des is der Damma, der schüttelt die Pflamma“, „Ringala Reiha“, ...
Hatte sich ein Kind weh getan, so wurde es mit dem Spruch „Haala haala Katzadreeck, iebermorng is alles weg“ getröstet:
Gab beim Grüßen ein Kind die linke Hand, so hieß es: „die schee Händ gibt mer!“ oder „linker Dootsch, gib dei rechta Pfoodsch“.
Mit der Konfirmation endete die Kindheit und fing das Erwachsenwerden an. Eine Jugend im heutigen Sinne gab es damals eigentlich nicht, da die Kinder schon sehr bald zum Familienunterhalt beitragen mussten.
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Konfirmation in Tracht (genäht vom Ramsenthaler Schneider Krodel) um 1919 – die Konfirmandin ist Margareta Badewitz, die Mutter von Konrad Jahreis |
Am Ende des meist zweijährigen Präparanden- und Konfirmandenunterrichts gab es die gefürchtete Konfirmandenprüfung vor versammelter Kirchengemeinde.
Vor der Konfirmation mussten die Kinder bei den Eltern und Paten (früher auch bei Lehrer und Pfarrer) Abbitte leisten für unter Umständen begangenes Unrecht oder Beleidigungen. Der Text lautete üblicherweise: „Lieber Pate, wenn ich dich beleidigt habe, so bitte ich herzlich um Verzeihung“.
Die Konfirmation war auch Anlass, „Kiegla“ zu backen. Diese wurden in der Nachbarschaft und Verwandtschaft und natürlich an alle, die Geschenke gebracht haben, verteilt.
Zur Hochzeit bekam die Braut von ihren Eltern einen „Kammerwagen“ mit. Möbel und Aussteuer wurden auf den Wagen geladen, der dann mit Pferden zum Haus des Bräutigams gezogen wurde, wo fortan auch die Braut wohnte. Die Nachbarn standen Spalier, um zu sehen, wie viel die Braut von ihren Eltern mitbekam.
Das „Hochzichloodn“, das Einladen zur Hochzeit, wurde
vom Brautpaar selbst übernommen. Sie gingen von Familie zu Familie, wo sie überall
„Eieraschmolz“ aufgetischt bekamen. Wahrscheinlich konnten sie Rühreier
dann für längere Zeit nicht mehr sehen.
Das Aufgebot musste bestellt werden, das 14 Tage in der Gemeinde ausgehängt
wurde. Auch in der Kirche wurde die Hochzeit verlesen: „Es sind Personen
vorhanden, die gesonnen sind, in den heiligen Stand der Ehe zu treten...“.
Viel Aberglauben umrankt die Hochzeit:
In den Schleier der Braut soll Regen fallen, dann wird die Ehe glücklich.
Auf dem Weg zur Kirche und zum Altar darf die Braut sich nicht umdrehen oder rückwärts
schauen. Den Brautstrauß reicht sie dem Trauzeugen, ohne sich umzudrehen. Das
Hochzeitsauto darf nicht rückwärts fahren, solange das Brautpaar darin sitzt.
Wer die Handschuhe vor dem Ringwechsel zuerst abgestreift hat, wird später in
der Ehe das Sagen haben.
Nach dem Verlassen der Kirche und auf dem Weg nach Hause oder zum Wirtshaus wird das Brautpaar von Freunden und Bekannten „aufgehalten“. Beide müssen bestimmte Aufgaben erledigen (z. B. Baumstamm durchsägen, eine Puppe baden oder die Windeln wechseln), bevor sie ihren Weg fortsetzen können.
Bevor der Bräutigam zu Hause die Braut über die Schwelle trägt, werden zwei gefüllte Schnaps- oder Sektgläser gereicht, die möglichst schnell ausgetrunken und über die Schulter geworfen werden sollen. Dessen Glas zuerst den Boden berührt, der hat die Hosen an. Außerdem bedeuten Scherben Glück.
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Die Hochzeit der Familie Georgius im Jahre 1923 in Hauenreuth |
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Die
Hochzeit von Karl Schneider und Margarete Hahn am 22. August 1936 in Heinersgrund |
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Die Hochzeit von Erhard Müller und Henriette Adler 1943 vor dem Engelhardts-Haus (Wiesenstr. 11) |
Bei einem Todesfall wurde zuerst der Nachbar oder ein Bekannter verständigt. Dieser hatte alles zu erledigen, also Gemeinde und Kirche zu informieren, Sargträger, den Sarg und die Leichenfrau zu bestellen.
In jedem Haus war ein Leichenbrett vorhanden, auf dem der Tote aufgebahrt wurde. Die „Leichbiedera“ (eine Frau, die zur Teilnahme an der Beerdigung einlud) musste von Haus zu Haus gehen und auch von Dorf zu Dorf, um die Verwandten und Bekannten persönlich in Kenntnis zu setzen. Am Tag der Beerdigung wurde der Tote „eingesargt“. Der Sarg stand auf zwei Stühlen im Hausflur und alle Leute kamen, um den Toten nochmals zu sehen.
Der Sarg wurde verschlossen und von den Trägern aus dem Haus getragen, wobei er über der Türschwelle dreimal auf und niedergehoben wurde. Das bedeutete den endgültigen Abschied vom Heimathaus. Mit dem Leichenwagen wurde der Tote nach Bindlach zur Kirche gefahren. War der Tote jedoch unverheiratet (egal ob Kind oder Erwachsener), durfte der Sarg nicht gefahren werden, sondern wurde von zwei bis drei Trägergruppen nach Bindlach getragen. Diese Träger mussten aber auch ledig sein. (Der Brauch hat sich erhalten, wenn die Feuerwehr die Sargträger stellt. Dann wird heute noch darauf geachtet – soweit es die Gegebenheiten zulassen – dass ein Verheirateter nur von verheirateten, ein Lediger nur von ledigen Sargträgern getragen wird.) Die Sargträger waren durch ein weißes Tuch am Gehrock, der sogenannten „Kärngschwartn“ gekennzeichnet. Kopfbedeckung war der Zylinder. Die Trauergäste liefen hinter dem Sarg bis nach Bindlach, dabei war darauf zu achten, dass keine Lücke im Trauerzug entstand.
Die Trage für den Sarg musste erst in Bindlach abgeholt werden. So soll es vorgekommen sein, dass die Abholer nach einem Zwischenbesuch im Bindlacher Wirtshaus mit dieser Trage fröhlich singend und leicht schwankend ins Dorf gezogen kamen! |
Die „Leichen“ wurden früher bei der Siegeseiche „abgesungen“. Dazu kam der Chor an den Ortseingang, wartete dort auf den Trauerzug, sang ein Lied und zog dann gemeinsam mit dem Trauerzug in die Kirche ein. Jahre später war der Brauch des Absingens nicht mehr üblich. Stattdessen hielt der Trauerzug an, bevor er in die Bundesstraße nach Bindlach einbog und wartete, bis die Glocken anfingen zu läuten. Erst dann ging es weiter zur Kirche.
“A verhinderte
Leich“ Eine ältere Ramsenthalerin fuhr während des zweiten Weltkriegs im Winter mit dem Zug zu ihrer Tochter nach Wunsiedel. Deren Mann war am Bindlacher Berg als Soldat tödlich verunglückt und der Sohn war noch klein, weshalb sie die Hilfe der Mutter dankbar annahm. Wenn es gerade nichts zu arbeiten gab, setzte sich die Mutter gerne zum Lesen ans Fenster, wo es genug Licht gab. Leider waren aber die Fenster damals sehr zugig und sie bekam eine Lungenentzündung, von der sie sich nicht mehr erholte und noch an Ort und Stelle verstarb. Zwei Söhne der Verstorbenen wurden benachrichtigt, um die Leiche der Mutter von Wunsiedel nach Bindlach zu überführen. Der Sarg musste in einem Güterwaggon transportiert werden. Dieser wurde jedoch aufgrund starker Schneeverwehungen in irgendeinem Bahnhof abgehängt und kam nicht mit den Reisenden in Bindlach an. Die bereits organisierte Beerdigung (alle Trauernden saßen in der Kirche, der Pfarrer wartete, der „Leichtrunk“ war bestellt) konnte nicht mehr verschoben werden. So ergab es sich, dass die Beerdigung ohne die „Hauptperson“ stattfinden musste. Diese, am nächsten Tag doch noch in Bindlach eingetroffen, wurde nun – ob mit oder ohne kirchlichen Segen bleibt offen – verspätet unter die Erde gebracht. |